Delegationsreise nach Finnland zum Thema Digital Health

Im März 2024 nahm Medical Valley EMN e. V. an einer von Bayern International organisierten Delegationsreise nach Finnland teil –  im Fokus stand das Thema Digital Health. In den vier Tagen vor Ort haben die Teilnehmenden einen umfassenden Einblick in die Digital Health Landschaft in Finnland und vor allem in die Prozesse der sekundären Nutzung von Gesundheits- und Sozialdaten erhalten.

Das Programm führte durch verschiedene Stationen in Südfinnland: In Helsinki und Turku lernten wir vielfältige Akteure und Perspektiven des finnischen Gesundheitssystems und -markts kennen. Die besuchten Organisationen reichten von Behörden (Gesundheitsministerium, Findata) und Forschungseinrichtungen (VTT, Health Campus Turku) über Institutionen der Gesundheitsversorgung (Universitätsklinikum Helsinki, Kompass Krankenhaus Turku) bis hin zu Unternehmen (Orion Pharma).

 

Doch warum ist Finnland ein solch interessanter Markt?

Seit vielen Jahren in Folge belegt Finnland dem DESI-Index zufolge den ersten Platz als das fortschrittlichste europäische Land in Bezug auf die Digitalisierung. Dadurch ist Finnland ein optimaler Testmarkt für verschiedenste Technologien, wie zum Beispiel Anwendungen im Bereich Digital Health. Aktiv unterstützt wird dies durch diverse Initiativen wie Nordic Proof und Nordic Access. Ein ebenso entscheidender Faktor ist die Unvoreingenommenheit der Bevölkerung gegenüber neuen Produkten und Technologien. Offensichtlich wird das bereits auf der Verbraucherseite: ein fester Bestandteil des Straßenbildes in Finnland sind Roboter einer Supermarktkette, die den Kund:innen Ihre Lebensmitteleinkäufe nach Hause liefern.

Doch auch im Bereich Digital Health bietet Finnland einige entscheidende strukturelle Vorteile: Es gibt nur eine einzige Sozialversicherung. Bürger:innen erhalten bei ihrer Geburt eine Identifikationsnummer, die übergreifend von allen öffentlichen Diensten zur Identifikation genutzt wird. Dabei wurden Strukturen von Beginn an mit der Digitalisierung im Hinterkopf geschaffen. Ein weiterer Faktor ist das Gesetz zur sekundären Nutzung von Gesundheits- und Sozialdaten, welches 2019 in Kraft getreten ist. Hiernach wird gesetzlich geregelt, dass alle finnischen Bürger:innen ihre Gesundheits- und Sozialdaten zu Forschungszwecken zur Verfügung stellen. Dabei besteht grundsätzlich die Möglichkeit des Opt-outs, die allerdings nur selten genutzt wird. Seit Einführung des Gesetzes haben nur rund 2.500 Personen von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht – und das bei einer Bevölkerung von 5,6 Millionen. Ein starker Indikator für das Vertrauen, das Finninnen und Finnen Ihren Behörden entgegenbringen.

 

Und damit sind wir bei Findata. Dies ist die zentrale Behörde, die eben diese Daten verwaltet. Dabei wird sichergestellt, dass die Datenverarbeitung unter Wahrung des Datenschutzes erfolgt, indem sie die Daten zusammenstellt, vorverarbeitet und in einer sicheren Umgebung zur Verfügung stellt. Grundsätzlich kann jede:r aus Europa eine Anfrage an Findata schicken, um Datenzugriff zu erhalten. Im Idealfall beträgt die Dauer von der ersten Anfrage bis zu dem Zeitpunkt, an dem mit den Daten gearbeitet werden kann, wenige Monate. Da dieser Prozess in der Realität eher einem Verhandlungsprozess ähnelt, kann es allerdings auch wesentlich länger dauern. In diesem Prozess werden die Anforderungen an die benötigten Daten abgesteckt sowie der Preis für die Daten verhandelt. Für einen ersten Austausch bietet Findata zwanzigminütige kostenlose Termine zum Kennenlernen der Behörde und des Verfahrens an. Das Zurverfügungstellen von Daten ist hierbei kein Business Case für die Organisationen, die die Daten bereitstellen. Sie werden zwar dafür vergütet, jedoch deckt diese Vergütung hauptsächlich lediglich den hierbei entstandenen Aufwand.

 

Welche Daten sind bei Findata verfügbar?

Die Behörde stellt hauptsächlich Daten auf individueller Patient:innen-Ebene bereit. Dies umfasst auch longitudinale Daten, wie zum Beispiel Röntgenaufnahmen vor und nach einer Operation. Durch die Pseudonymisierung der Daten können diese auch immer der entsprechenden Person zugeordnet werden. Ebenso sind statistische Daten bei Findata erhältlich.

Auch wenn Finnland in der Digitalisierung des Gesundheitssystems ein Spitzenreiter ist, steht das Land in anderen Bereichen vor großen Herausforderungen: eine stark gestiegene Staatsverschuldung, Fachkräftemangel sowie ausgeprägte Sicherheitsbedenken.

Trotz dieser Herausforderungen ist eines klar: Finnland hat verstanden, wie Patient:innen-zentrierte Gesundheitsökosysteme aufgebaut und effizient genutzt werden. So werden Patient:innen dazu ermutigt, ihre eigenen Gesundheits- und Sozialdaten aktiv zu verwalten. Gepaart mit einer technologieoffenen und vertrauensbasierten Bevölkerung und Kultur stellt dies ein Erfolgsrezept dar, um die Digitalisierung im Gesundheitswesen voranzutreiben.

 

Für die ereignisreiche und aufschlussreiche Zeit in Finnland bedanken wir uns herzlichen bei allen Organisatorinnen und Organisatoren.

 

Sie möchten mehr über die Einblicke erfahren, die wir auf unserer Delegationsreise erhalten haben, oder mit den besuchten Organisationen in Kontakt treten? Kontaktieren Sie uns jederzeit, wir helfen Ihnen gerne weiter.

Caroline Hofmann
Projektmanagement
Mobil: +49 179 6333995
E-Mail: caroline.hofmann@medical-valley-emn.de

 

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