Medical Valley EMN e. V. im Gespräch mit Ziehm Imaging
Ziehm Imaging ist seit Jahrzehnten ein wichtiger Player in der Medizintechnik-Branche und bereichert dabei auch das Medical Valley-Netzwerk. Wir wollten es genauer wissen und haben im direkten Austausch mit Martin Ringholz, Director Global Marketing, und Franziska Abele, Global Product Manager Vascular Surgery, nicht nur mehr über die Hintergründe erfahren, sondern auch spannende Ein- und Ausblicke erhalten.
1972 wurde Ziehm Imaging von Jürgen Ziehm ins Leben gerufen. Was war seine Vision und wodurch wurde diese inspiriert?
Martin Ringholz:
Um die Inspiration von Jürgen Ziehm zu verstehen, müssen wir noch ein paar Jahre weiter zurückgehen. Hugo Rost stellte 1954 den ersten mobilen C-Bogen vor. Das ermöglichte dem Operationsteam, ein mobiles Röntgengerät im OP Saal zum Patienten zu bewegen. Der Patient musste damit nicht mehr zum Gerät bewegt werden. Im Operationsablauf bietet dieses Konzept deutliche Vorteile und war eine zentrale und sehr wichtige Entwicklung.
Zu dieser Zeit wurde bei C-Bögen und Festanlagen noch die Strahlendosis vom Personal abgeschätzt. Die Aufnahmen wurden in der gängigen klinischen Routine oft nicht optimal belichtet und mussten häufig wiederholt werden. So waren die Anwender und Patienten einer deutlich höheren Strahlenexposition ausgesetzt.
Hieraus entstand die Idee von Jürgen Ziehm. Er entwickelte eine automatische Belichtungstechnik, die direkt zur optimal belichteten Aufnahme führte. Das war die Geburtsstunde des Expomats. Er war mit dieser Nachrüstung für bestehenden Anlagen so erfolgreich, dass Jürgen Ziehm 1972 die Ziehm GmbH gründete. In den nächsten Jahren entwickelte Herr Ziehm seine Produkte kontinuierlich weiter, denn Strahlenschutz erhielt einen immer höheren Stellenwert. So wurde 1973 auch die Verordnung über den Schutz vor Schäden durch Röntgenstrahlen (RöV) in Kraft gesetzt. 1983 wurde der erste Ziehm C-Bogen der Fachwelt vorgestellt. Er war deutlich kompakter und beweglicher als bisherige Systeme. Außerdem ermöglichte er die Strahlendosis für den Patienten signifikant zu reduzieren, ohne Kompromisse bei der Bildqualität einzugehen. Insgesamt kann man sagen, dass wichtige Treiber für die Entwicklung von Ziehm Imaging die Dosisreduktion sowie die Anwenderfreundlichkeit sind.
Welche Entwicklungen konnten in den ersten und den darauffolgenden Jahren kreiert und realisiert werden?
Martin Ringholz:
Nachdem der erste Ziehm C-Bogen auf dem Markt war, ging die Entwicklung rasant weiter. 1985 wurde mit dem Exposcop CB7-D der erste C-Bogen mit digitalem Bildspeicher und digitaler Bildverarbeitung vorgestellt. Er wurde auch über den deutschen Raum hinweg zu einem Verkaufsschlager. Der C-Bogen ging zum Beispiel nach Afrika, Australien und in die USA. 3 Jahre später gelang in enger Zusammenarbeit mit dem Gefäßchirurgen Dr. Helmig und Herrn Stelzer (damals Leiter medizinische Dokumentation, Statistik und Medizintechnik aus der Klinik Oberwald in Grebenhain) ein weiterer Durchbruch. Der erste DSA-fähige mobile C-Bogen wurde erschaffen. Die digitale Subtraktionsangiografie (DSA) ist ein diagnostisches Verfahren zur Darstellung von Gefäßen (Angiografie) und konnte bis dato nur mit Festanlagen durchgeführt werden. Der DSA-fähige mobile C-Bogen war jahrelang ein Alleinstellungsmerkmal für das Unternehmen. Bis heute treiben uns bei Ziehm Imaging neue Entwicklungen in der Medizin und Technik an. Das macht uns zum Innovations- und Technologieführer im Bereich der mobilen intraoperativen Bildgebung.
Wie haben sich Technologie, aber auch die User Experience und Indikationsfelder seitdem entwickelt?
Martin Ringholz:
Seit der Einführung der ersten mobilen C-Bögen haben sich die Anwendungsbereiche enorm vergrößert und die Technologien stark weiterentwickelt. C-Bögen waren früher ausschließlich mit Bildverstärkern ausgestattet. Das ist eine analoge Technologie, ähnlich der eines Röhrenbildschirms bei alten Fernsehern. Die Bildverstärker sind leicht an ihrer zylindrischen Bauform zu erkennen und sind auch heute noch im Einsatz. Hohes Bildrauschen und Bildverzerrungen sind dabei typisch für diese Technologie. Eine entscheidende Verbesserung brachte die Einführung von Halbleiter-Flachdetektoren, die eine deutlich bessere, schärfere und verzerrungsfreie Bilddarstellung ermöglichen. Wir waren 2006 die erste Firma, die einen mobilen C-Bogen mit Flachdetektor angeboten hat. Aufgrund der vielfältigen Vorteile haben wir unser komplettes Portfolio konsequent auf Flachdetektoren umgestellt und vermarkten heute keine mobilen C-Bögen mit Bildverstärker mehr. Je nach klinischen Anforderungsspektrum stehen unterschiedliche Flachdetektor-Technologien zur Verfügung. Der mobile C-Bogen ist dabei längst aus seinen Kinderschuhen gewachsen und kann weit mehr darstellen als nur knöcherne Strukturen. Insbesondere kann die neueste CMOS Detektorgeneration mit ihrer hohen Ortsauflösung erheblich mehr anatomische Information liefern. Unsere C-Bögen können deshalb heute auch in der minimalinvasiven Gefäßchirurgie und in der Kardiologie, ja sogar bei der Cochlea-Implantation eingesetzt werden. 2005 hat Ziehm Imaging seinen ersten mobilen C-Bogen mit 3D Funktion vorgestellt und stetig weiterentwickelt. Hierdurch können nicht nur Bilder in 3D dargestellt werden, sondern auch Schnittbilder, mit denen zum Beispiel im Rahmen von Frakturversorgungen die korrekte Position von Schrauben kontrolliert werden kann. Das reduziert Revisionseingriffe sowie den Bedarf an postoperativen CT-Scans und erhöht die Sicherheit im OP. Auch bilden die im OP entstehenden aktuellen 3D-Bilddaten die Basis zur Navigation im Körper. Navigierte chirurgische Eingriffe erhöhen die Präzision und generieren mehr Informationen bei gleichzeitiger Reduzierung der Strahlenbelastung. All dies erleichtert den Eingriff und dient natürlich dem Patientenwohl.
Ein möglicher Einsatzbereich liegt in der Gefäßchirurgie – welche Besonderheiten liegen hier vor?
Franziska Abele:
Für den Einsatz in der Gefäßchirurgie braucht man sehr starke und ausfallsichere Generatoren mit hohen Leistungen. Bei gefäßchirurgischen Eingriffen kommt es zu sehr langen Strahlungsdauern und eine Überhitzung und ein Ausfall des Systems muss unbedingt vermieden werden. Durch ein einzigartiges Flüssigkeitskühlungssystem, was wir Advanced Active Cooling (AAC) genannt haben und einer leistungsstarken Drehanode können Überhitzungen und Ausfall vermieden werden und unsere C-Bögen in der Gefäßchirurgie und sogar in der Kardiologie eingesetzt werden. Unsere motorisierten Premium-C-Bögen bieten eine mobile und kostengünstigere Alternative zu Großanlagen in Hybrid-OPs oder Herzkatheterlaboren. Operationssäle mit festinstallierten Anlagen erfordern komplexe Vorabplanungen. Das verursacht hohe Kosten. Ein mobiler C-Bogen ist weit günstiger, erfordert zur Inbetriebnahme keine weiteren Umbaumaßnahmen wie bei Hybridräumen und ist außerdem flexibel in weiteren OP Sälen multidisziplinär einsetzbar. Speziell für den Einsatz in der Gefäßchirurgie haben wir den Ziehm Vision RFD Hybrid Edition mit Vier-Achsen-Motorisierung sowie einer Drehanode und einer Generatorleistung von 30 kW auf den Markt gebracht.
Mit unserem französischen Tochterunternehmen Therenva können wir auch eine vollständige Hybridlösung für die Gefäßchirurgie anbieten. EndoNaut von Therenva ist ein intraoperatives Navigationssystem, das Chirurgen bei der Behandlung von okklusiven und aneurysmatischen Gefäßerkrankungen unterstützt. Mit Hilfe der KI-gestützten Bildfusionstechnologie, bei der präoperative CT-Daten auf intraoperative 2D- Röntgenbilder registriert werden, ermöglicht EndoNaut eine akkurate Visualisierung der Gefäße und Planungsdaten für präzise Eingriffe. Dadurch reduziert sich die Strahlenbelastung für den Patienten, aber auch für das OP-Personal, sowie die Menge an eingesetztem Kontrastmittel.
Wie und wo findet die Produktion der Geräte statt?
Martin Ringholz:
Wir stellen unsere C-Bögen im Hauptsitz in Nürnberg her. Dort befinden sich im Erdgeschoss und im ersten Stock Teile der Produktion. Im Rest des Gebäudes sind alle weiteren Abteilungen zu finden. Nicht nur für die Fertigung, sondern auch für alle anderen Abteilungen brauchen wir gut geschultes Personal, das man hier in der Region durch Universitäten, Fachhochschulen und natürlich das Medical Valley gut findet. Auch eine Vielzahl unserer Zulieferfirmen stammen aus der Region. In unserem Unternehmen befindet sich die Produktion am gleichen Standort wie die Entwicklung, das Produktmanagement, der Service wie auch Vertrieb und Marketing – um nur einige Abteilungen zu nennen. Neue Impulse aus unseren zahleichen und nahen Referenzanwender-Kliniken können schnell und direkt weitergegeben und umgesetzt werden.
Was sind die nächsten Meilensteine in der Erfolgsgeschichte des Unternehmens?
Martin Ringholz:
Nach wie vor treibt uns der klinische Nutzen für Patient und Anwender an. Immer bessere Bilder bei möglichst geringer Strahlenbelastung und intuitiver Bedienung stehen bei uns im Fokus der Innovationen. In enger Zusammenarbeit mit Universitäten, Forschungsinstituten und Krankenhäusern entwickeln wir unsere Systeme und Software als auch Serviceangebote stetig weiter. Vor allem im Bereich der Gefäßchirurgie und Kardiologie sehen wir großes Wachstumspotenzial – gemeinsam mit unserem Tochterunternehmen Therenva, die auch Experten auf dem Gebiet der KI sind. Generell wird sich der mobile C-Bogen immer mehr an die Fähigkeiten der Großanlage annähern.
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